Die Geschichte von Gerd Emil Zusel

24.05.2007

Gerd Emil Zusel, von Freunden liebevoll «Gezl» genannt, hat eine pfiffige Idee. Er ist der Großbauer mit dem Milchmonopol im Ort und denkt sich, dass sich daraus doch mehr als die paar Kröten verdienen lassen, die von den Supermärkten geboten werden.

Gezl zieht los und verlegt Schläuche kreuz und quer durch den Ort. Dann plakatiert Gezl seine Idee an die Schauwände der Stadt: Jeder der wolle, könne sich eine Ableitung an die Schläuche machen. Pro Wohnung würde eine Pauschale fällig, egal wie viel Milch getrunken würde.

Die Bürger sind zwar etwas verwundert, aber diese neue Idee finden sie gut, es ist ja auch komfortabel. Also hat Gezl ruck zuck viele Kunden. Allerdings wird er das Gefühl nicht los, dass ihn manche um sein Geld bringen. Daher stellt er Mitarbeiter ein, die prüfen sollen, ob auch wirklich alle bezahlen. Er nennt sie «Gezl-Beauftragte». Sie erhalten pro entdeckten Schwarz-Trinker eine Prämie. Da werden dann schon mal Mitbürger unter Druck gesetzt, sie hätten doch schon die letzten Jahre getrunken und müssten jetzt rückwirkend zahlen. Weil Gezl den Bürgermeister auf seiner Seite hat, dem er einen Aufsichtsratsposten in seiner schnell wachsenden AG zugeschanzt hat, ist es schwer, sich dagegen zu wehren. Wer keinen Ärger haben will, zahlt lieber. Dabei sind die Gezl-Beauftragten so dreist, dass der Bürger beweisen soll, dass er keine Milch getrunken hat. Das ist natürlich schwierig, — etwas beweisen, was man nicht getan hat.

Gezl lässt das kalt, er ist schon einen Schritt weiter. Denn er hat ein großes Manko seines Plans erkannt: Die Gemeinde wächst nicht, sie schrumpft eher. Also verdient er auch weniger. Deshalb pocht er auf seine Geschäftsbedingungen: Wer am Arbeitsplatz Milch trinkt, muss dafür extra zahlen. Den das ist ja nicht in der Wohnung. Und im Wochenendhaus natürlich auch. Erst lachen die Leute. Bis die Gezl-Beauftragten durch die Gemeinde ziehen und jeden aufschreiben, den sie beim Milchtrinken sehen. Oder annehmen, dass er Milch trinkt. Auch Milchallergiker, die sich bereits nach einem Glas übergeben müssen, entkommen ihnen nicht. «Kann Gezl was dafür, dass Sie seine Milch nicht mögen? Also …! Sie müssen zahlen!»

Aber irgendwie entwickelt sich das Geschäft für Gezl immer noch schleppend. Da kommt ihm der zündende Gedanke: Ich kassiere einfach pro Glas! Natürlich ist ihm klar, dass er das vorsichtig umsetzen muss, damit es nicht gleich zum Bürgerkrieg kommt. Also kassiert er erst einmal nur bei denen, die am Arbeitsplatz mehrere Milchgläser haben, mehrfach Gebühr. Da die so gering ist, lohnt es sich nicht, sich vor Gericht darum zu streiten. Die Firmen murren zwar, aber zahlen.

«Es funktioniert, da geht noch mehr!», denkt sich Gezl. Denn er hat erkannt, dass man ja auch aus einer Kaffeetasse Milch trinken kann. Oder aus einer Teetasse. Oder einem Weinglas. Oder einer Karaffe. oder einem Suppenteller. Er nennt das «neuartige Milchgläser». Wer noch kein Milchglas bei ihm gemeldet hat, soll für alle «neuartige Milchgläser» eine Pauschale zahlen. Das Geschrei ist groß, aber der Bürgermeister ist auf Gezls Seite. Er kann es durchsetzen.
 

Gezl hat schon einen Etappenplan, wie er sein Imperium weiter mit Geld versorgt. Als nächstes wird das «neuartige» gestrichen. Jeder Behälter ist ein potentielles Milchglas. Dann wird auch für jeden Behälter bei den Firmen Geld fällig. Und den Rabatt für Wohnungen, die noch immer nur einmal zahlen, statt pro Glas, den knackt er auch noch. Immerhin steht ja im Gesetz: «Gleiches Recht für alle». Warum also nur die Firmen mehrfach belasten - die Privatleute haben doch auch mehrere Behälter für Milch!

«Die Zukunft ist Klasse», denkt sich Gezl. Dabei stört es ihn gar nicht, dass die Mitbürger immer weniger Milch trinken und seine zusätzlichen Leitungen, aus denen Kakao, Erdbeermilch und andere Milchprodukte fließen, irgendwie nicht recht annehmen wollen. Auch die Idee, in weiteren Leitungen mehrere Tage alte Milch zeitversetzt anzubieten, ist kein echter Verkaufserfolg. Aber das spielt für Gezl keine Rolle. Denn für ihn gelten die Gesetze des Anstands und des nachvollziehbaren Geschäftsgebahrens nicht. Hauptsache die Kohle rollt, … äh, …, die Milch fließt. Natürlich geht es nur um die Milch.

Aber es tut sich was. Die Bürger haben die Nase voll. Es wird etwas passieren. Bestimmt.

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