Fakten schaffen

31.08.2007

Die öffentlich-rechtlichen Sender (ÖRS) geben Gas. Insbesondere das ZDF treibt sehr aggressiv seine „Wir sind im Internet“-Kampagne voran. Unter dem Titel „Sendung verpasst? - Kein Problem!“ wird auf das Videoportal hingewiesen, das vom ZDF betrieben wird. Die Werbegeilheit führt dabei schon mal zu schildaesken Effekten, wie z.B. bei Heise:

Werbeschaltung des ZDF bei Heise
So wirbt das ZDF bei Heise, Screenshot vom 31.08.2007

Die ÖRS vertrauen offenbar auf eine deutsche Urtugend: Was mal da war, wird nicht mehr abgeschafft. Das ist bei Gesetzen so (da wird höchstens mal ein altes durch zwei neue ersetzt) und bei Steuern auch. So haben wir die 1902 von Kaiser Wilhelm II für die Finanzierung des Nord-Ostsee-Kanals eingeführte Schaumweinsteuer. Der Kanal ist lange fertig, die Steuer gibt es weiterhin. Die ÖRS setzen wohl darauf, dass ein rechtliches Vakuum, schnell besetzt, Fakten schafft, die schwer zurück genommen werden können.

Der Schachzug ist zweifelsohne pfiffig. Denn egal, wie sehr es Bürger, Politiker und später vermutlich Gerichte stören wird: Es wird sich immer auf einen — wie auch immer gelagerten — Erfolg verweisen lassen, der zumindest teilweise erhaltenswert sei. Das ist wie ein griechischer Waldbrand: Da weiß hinterher keiner mehr so genau, wo die Stadt aufhörte und der Wald anfing. Die Stadt wird halt nach jedem Brand größer.

Die bewundernswerte Ignoranz gegenüber Auflagen und das schlichte Aussitzen von Angriffen hat sich in der Vergangenheit als ziemlich wirkungsvoll erwiesen. Der Staat und die EU sind bei den ÖRS anscheinend ein zahnloser Tiger. Da wird gemahnt, aber gehandelt wird nicht.

Fraglich ist, wie sich die Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz in den Vorgang einmischen will. Denn wenngleich der Landesfürst gerade den Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder inne hat: Gerade der sieht eine Verwebung von Politik und Rundfunk nachweislich sehr entspannt. Seine glorreichen Lebensweisheiten („waschen und rasieren“) erzeugen eine fast zwanghafte Neugier, was bei der Nummer wohl herauskommen mag.

Jedenfalls ist es ein ziemlich eigenwiller Vorgang: Da ist die Kanzlei eines Landesfürsten gegen etwas. Der Fürst selbst sitzt in einem Gremium mit Leuten, die dafür sind. Und das Gremium ist in einer Kommission, die es regeln soll. Die Kommission ist natürlich völlig unabhängig von der Politik. Dass der Landesfürst auch noch Vorsitzender der SPD-Deutschland ist - ein dummer Zufall. Wem da keine Zweifel in Sachen Objektivität kommen, glaubt bestimmt, dass bei Siemens und VW niemand weiß, wie «Schmiergeld» geschrieben wird und der Storch die Kinder bringt. Oder war´s der Weihnachtsmann?

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