Hamburg - Köln - Rostock

02.10.2007

Oder:

Wie man Gebührengelder verplempert und Gebührenzahler für Dumm verkauft

Sie erinnern sich? Vor ca. zweieinhalb Monaten wurde ein Brief an den Norddeutschen Rundfunk auf den Weg gebracht. Per Einschreiben mit Rückschein. Der Inhalt: Ein Widerspruch gegen den Gebührenbescheid für das Betreiben eines „neuartigen“ Rundfunkempfängers. Der Rückschein fand sich wenige Tage später im Briefkasten. Alles schien in Ordnung.

Nach über 60-tägiger Funkstille — für eine Funk-Truppe eigentlich ziemlich erbärmlich — kommt dann doch mal Post. Aber nicht vom NDR aus Hamburg, sondern von der um Image besorgten, aber eigentlich nie zuständigen Dienstleistungstruppe aus Köln, der Gebühreneinzugszentrale. Wider Erwarten wollen die nicht schon wieder Geld. Ganz im Gegenteil. Es wird sogar was ausgegeben, und zwar eine Information:

«Ihre Mitteilung haben wir zur abschließenden Prüfung und Entscheidung an Ihre Landesrundfunkanstalt weitergeleitet.»

Wie jetzt — … „weitergeleitet“ ?

Der GEZ wurde nicht geschrieben, sondern dem NDR in Hamburg. Vom NDR kam doch auch der Rückschein. Wie kommt jetzt, bitteschön, dieses Schreiben zur GEZ? Oder reden die von etwas anderem?

Bleiben wir mal bei der Annahme, die GEZ beziehe sich auf das Schreiben an den NDR: Die rund 450 Kilometer von Hamburg nach Köln sind in netto 65 Tagen sogar zu Fuß schaffbar (ca.7 km/Tag). Hier gibt es also zweifelsohne ein erhebliches Optimierungspotential, oder ein armes Schwein, dass sich mit seinem Abteilungsleiter in Hamburg überworfen hat. Leider endet das Schreiben noch nicht nach diesem Satz. Es folgt eine Adresse: «Norddeutscher Rundfunk, Abteilung Rundfunkgebühren».

Hallo? Geht´s noch? Diese Abteilung wurde doch angeschrieben!

Wobei dann die Feinheiten kommen: «Richard-Wagner-Str. 8, 18055 Rostock». Na denn: Aloha! Der Fußmarsch dorthin wäre über die Hälfte kürzer gewesen. War wohl nicht der Abteilungsleiter, sondern jemand aus dem Verwaltungsrat.

Mal fix zusammen gefasst: Auf dem Gebührenbescheid steht, man soll den Widerspruch an die umseitige Rundfunkanstalt schicken, die als NDR in Hamburg ausgewiesen wird. Wenn man denen schreibt, nehmen sie es an, schicken es an die GEZ und die schickt es dann an den selben Laden, aber in einer anderen Stadt. Nach zweieinhalb Monaten ist es bei der GEZ, für den Weg von dort nach Rostock wird das Schreiben bei gleicher Geschwindigkeit ca. 3 Monate brauchen, denn von Köln nach Rostock sind es immerhin rund 600km.

Bei Jules Verne hat man in dieser Zeit eine Weltreise hinter sich, eine Menge Spaß gehabt und eine Frau für´s Leben gefunden. Mit diesem Hintergrund könnten sich so manche Kosten und Laufzeiten bei der GEZ und den Rundfunkanstalten erklären. Aber zurück zum Thema:

Die banale Frage, ob es beim NDR keine Hauspost gibt, lässt sich von hier aus nicht beantworten. Für die falsche Adresse auf dem Gebührenbescheid ist bestimmt ein Praktikant verantwortlich. Der hat die Adresse wohl leichtfertig von der Webseite des NDR abgeschrieben. Also da, wo das auch Gebührenzahler tun oder offenbar auch die GEZ beim Ausstellen von Gebührenbescheiden für den NDR.

Mal davon abgesehen, dass man üblicherweise mit der Suche aufhört, wenn man das Gesuchte gefunden hat: Bei der Suche nach «Adresse NDR Rostock» auf den Seiten des NDR wird man nicht fündig. Wenn nicht mit der Haussuchmaschine, sondern im Telefonbuch — und den jetzt bekannten Daten (!) — nachgeschlagen wird, hat man mehr Glück. Wobei das «Ostsee-Studio» auf der oben zitierten Kontaktseite des NDR — warum auch immer — vergessen wurde.

Vermutlich fällt also in ca. 6 Monaten ein völlig abgerissener, in Ungnade gefallener NDR-Mitarbeiter bei der GEZ in die Vorhalle und haucht: «Die haben gar keine Abteilung Rundfunkgebühren in Rostock». Tipp für alle NDR-Mitarbeiter: Verärgere niemals deinen Intendanten. Sonst musst du viel laufen oder wirst ins Ostsee-Studio versetzt, dem vom NDR totgeschwiegenen, anstaltseigenen Gulag.

Wenn wir mal kategorisch ausschließen, dass es sich hier um eine fragwürdige Hütchenspieler-Taktik oder unmenschliche Strafaktion handeln könnte, muss man wohl annehmen, dass der NDR in einer Flut von Widersprüchen ertrunken ist und das verwaltungstechnisch einfach nicht in den Griff bekommt. Dafür jetzt die GEZ einzuspannen ist allerdings vergleichbar mit dem Versuch, einem Elefanten den sterbenden Schwan beizubringen.

Der feinsinnige Jurist könnte auf die Idee kommen, dass damit zumindest die Frist für eine Nichttätigkeitsklage verlängert werden soll. Das sehen wir jedoch anders: Der NDR ist ja faktisch untätig, denn vom NDR fehlt eine Stellungnahme. Da die GEZ - nach eigenem Bekunden - nicht zuständig ist, hätte sie sich das Schreiben auch sparen können. Denn mangels Zuständigkeit und insbesondere aufgrund fehlender konkreter Bezugnahme, worum es denn geht — eine „Mitteilung“ kann auch ein Küchenrezept sein —, ist es so oder so sinnlos.

Dass sich bei uns die Meinung verfestigt, Schreiber eines Widerspruchs sollen — höflich formuliert — für Dumm verkauft werden bzw. die Zuständigen bei GEZ und dem NDR sind es, ist juristisch unverwertbar. Dummheit schützt zwar nicht vor Strafe, ist für sich betrachtet jedoch kein Straftatbestand. Aber es steigert die Motivation, die schamlos zur Schau getragene Ignoranz und Untätigkeit nicht länger hinzunehmen.

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