Der Facebook-Trick
19.09.2010
Drei-Stufen-Test, begrenzte Bereithaltungsdauer – all dasnervt die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRA). Ärgerlich auch, dass man sich dieNamen der Besucher nicht greifen kann, weil ein fehlender Registriervorgang als zentrales Argument zum Eintreiben derRundfunkgebühren gilt. Es gäbe ja eine „Pflicht zur öffentlichen Erreichbarkeit“– was letztendlich dazu dient zu unterstellen, dass automatisch jeder mit Internetzugangöffentlich-rechtliche Angebote nutzt und deshalb gebührenpflichtig ist. DieseHürde ist mit dem kommenden Rundfunkgebührenstaatsvertrag genommen. Mit derHaushaltsabgabe haben die ÖRA eine mehrfacheInkasso-Garantie für jeden, der sich innerhalb der bundesdeutschen Grenzenbewegt.
Allerdings konnte man „früher“ einfach alles, was produziertwurde, auf die öffentlich-rechtlichen Webseiten packen und dort verrotten lassen. Jetzt muss einstraffes Angebot gewährleistet werden, Überflüssiges muss nach sieben Tagenwieder entfernt werden. Die nervigenprivaten Anbieter überwachen das penetrant. Wirklich ärgerlich. Zum Glück gibtes Facebook.
Dort wird einfach alles hingepackt, was der «Legitimitätstest»eigentlich ausschließen soll. Altes Material und vor allem alles, womit sich ein bisschen Extra-Kohleverdienen lässt. Nehmen wir einfach mal „WISO“ vom ZDF. Dort herrscht ja schonseit Jahren eine clevere Allianz zwischen öffentlich-rechtlichem Angebot und einemSoftware-Anbieter. Der klebt auf jedes seiner Software-Produkte werbewirksam das„WISO“-Logo als „Qualitätssiegel“. Die „WISO-Monats-CD“ kann man als Abo beziehen.Es muss sich lohnen, sonst wäre in der Sendung der Hinweis darauf nicht so penetrant. Aberoffenbar will man mehr. Umsatz, — natürlich.
Daher hat WISO einen dicken Facebook-Account auf den ebensopenetrant — wenn nicht noch öfter — in der Sendung hingewiesen wird. Der hatgleich mehrere gewichtige Vorteile:
- Der Drei-Stufen-Test gilt hier nicht. Ist janicht öffentlich-rechtlich, sondern die Seite eines US-Konzerns.
- Ein Interessent muss sich bei Facebook registrieren.Dafür muss er bei Facebook sehr viel über sich preisgeben und stimmt mehr oder minder automatisch zu,dass das eigene Nutzungsverhalten gespeichert und daraus für die Werbe-IndustrieZielgruppen herausgefiltert, verkauft, genutzt wird und ihm, dem Benutzer,bestmöglich das Geld aus der Tasche gezogen oder die persönlichen Daten wenigstens fürpersonalisierte Werbung bei „Freunden“ benutzt werden darf. Das ist die grobzusammengefasste Übersetzung von „Dienstleistungenund Funktionen [zu] analysieren, [zu] messen und [zu] optimieren“ (Quelle: c´t 20/2010, Seite148ff). Die strengen deutschen Datenschutz-Regeln gelten hier nicht.
- Bei Facebook erfährt WISO, wer vorbei kommt, waser mag und was man ihm unter die Nase halten kann. Man ist ja nur Benutzer und nutzt lediglich Service-Leistungen des Betreibers, zu dessen Regeln.
- BeiFacebook kann WISO wirtschaftliche und öffentlich-rechtliche InformationenGewinn-maximierend miteinander verknüpfen, was auf den ZDF-Seiten ein klarenVerstoß gegen die öffentlich-rechtlichen Regeln wäre.
- Man kann sich „per du“ mit den Besuchernverbrüdern und so die eigentlich gebotene journalistische Distanz aufgeben. Daswiederum ist gut für´s Geschäft, weil man dem „Rat eines Freundes“ eher traut,als einem gelackten Verkäufer.
Immerhin haben die Macher der ÖR endlich verstanden, wo manden Zuschauer von morgen abholen muss. Dass man sich dafür mit einem US-Konzernverbrüdert, der in der jüngeren Vergangenheit insbesondere wegen fragwürdigerDatenschutz-Ansichten auffiel und diese weiterhin pflegt, ist fragwürdig. Dassman sich mit diesem „Kunstgriff“ den Normen des Rundfunkstaatsvertrages aktiventzieht, ist eine dreiste Methode, die in den eigenen Gremien definiertenRegeln auszuhebeln.
„Öffentlich-rechtlich“ wird in gewohnter Manier von denAnstalten mit „rechtlich offen“ übersetzt, in anderen Worten: Was nicht passt,wird passend gemacht. Wenn endlich selbst der tumbeste Politiker kapiert hat, dass er vorgeführt wird, gibt es mit großemTamtam einen neuen Rundfunkstaatsvertrag. Der regelt vermeintlich alles, dient aber nur dazu, dass man ihn mit neuen Methoden unwirksam machen und Kritikern die bisherigen Angriffsflächen nehmen kann.
Wie sagte schon Lucanus: « Ibi fas ubi proxima merces» : Wo derGewinn am höchsten, da ist das Recht.