Tanzmichel ist tot

27.06.2009

Michael Jacksons Tod - unerwartet und zweifellos bedauerlich - zeigt die Relativität von Nachrichten. So gibt es Zahlen, dass der Tod des „King of Pop“ eine größere Welle im Internet auslöste, wie die Demokratie-Bewegung im Iran.

Es darf wohl als gesichert angenommen werden, dass Michael Jackson in der westlichen Welt mehr Fans hatte, als Herr Mahmud Ahmadinedschad, der iranische Präsident. Annahmen der Opposition zufolge kam der ähnlich souverän an die Macht wie der letzte amerikanische Präsident: In beiden Fällen ist unklar, wie viele Stimmen sie denn nun wirklich hatten, in beiden Fällen hat ein Gericht es entschieden. Bei Bush jun. hat man sich gewundert, bei Ahmadinedschad wird protestiert. Aber ein Unterhaltungskünstler schafft es, dass Dienste im Internet zusammenbrechen, Rundfunksender ihr Programm umstellen und Plattenbosse vermutlich schon ein «Very Best Of» zusammenschieben.

Wie traurig ist dass, wenn uns das Leben eines Einzelnen - das fraglos viele berührt und beeinflusst hat - in der Informationskette ein stärkeres Echo auslöst, als das vieler anderer, die kein Gesicht, keinen Namen haben? Sicher war MJ in der westlichen Welt präsenter als ein totgeschlagenes Kind in Darfur. Aber es hat etwas Absurdes, wenn Nachrichten den Wert eines Menschenlebens spiegeln. Denn es wird auf einen „Marktwert“ reduziert. MJ hat noch Konzerthallen gefüllt, das tote Kind in Darfur nie die Chance dazu. Womit es für die Medien als Nachricht wertlos war. So einfach ist das.

Jetzt wird selbst aus seinem Tod eine außerordentlich erfolgreiche Zirkusvorstellung. Und uns vor Augen geführt, wie „schnelle Information“ unser Leben immer relativer macht. Denn in immer kürzeren Abständen werden neue Informationen wichtiger als das, was gerade noch wichtig war. Im Augenblick steht MJ bei Google-News auf Platz eins. Der Iran ist schon in die Spalte „International“ gerutscht und von Aidskranken in Afrika oder dem Genozid in Darfur findet sich – wenn man nicht explizit danach sucht – nichts. So schnell kann es gehen.

Mal sehen, welche Sau morgen durch´s Dorf getrieben wird.

Gerade deshalb ist es wichtig, „Medienkompetenz“ zu erwerben und für das Recht auf ungefilterte Meinung und Informationsquellen und für den ungehinderten Zugang dazu einzutreten. Denn wenn die „in der ersten Reihe“-Sitzer und „mit dem Zweiten“-Besserseher die Information gebührenfinanziert kontrollieren, weil freie Medien dagegen langfristig keine Chance haben und demnächst mit von Zensursula propagierte Techniken völlig neue Möglichkeiten der Informationskontrolle staatlich sanktionieren, wird «Macht» wieder etwas für Privilegierte. Die tun im Augenblick alles dafür, dass die Gefährdung ihrer Position durch das Internet, in dem sich auch Schwache organisieren können, beendet wird. Wie demokratisch das ist, müssen sie selbst beurteilen.

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