Heute schon einen Rentner verarscht?

12.08.2012

Wichtige Anmerkung: Es mag wie eine Glosse klingen, aber der Schriftverkehr dazu liegt uns vor!

Dass Juristen gelegentlich verbal grenzwertig argumentieren, mag eine Besonderheit des Berufsstands sein. Worin die Befriedigung liegt, damit Rentner zu traktieren, ist ein Mysterium. Wobei es sich relativiert, wenn man weiß, dass es ein Jurist der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist. Da gehen scheinbar die hin, die im freien Rechtswesen mangels Feingefühl unter die Räder kämen.

Für eine ältere Dame entwickelt die anstehende Gebührenreform eine existentielle Bedrohung. So arg wird es – hoffentlich – nicht für sie, aber gerade ältere Mitbürger verunsichert vieles, was um sie herum geschieht und sich nicht mehr mit nachvollziehbaren Argumenten erklären lässt.

Das fängt damit an, dass sich ab nächsten Jahr die Rundfunkgebühren für die besagte Dame mehr als verdreifachen. Denn sie hört ausschließlich Radio. Das tut sie gern, aber von Fernsehen hält sie nichts und kann und will es sich bei ihrer schmalen Rente nicht leisten. Also schreibt sie Ihrer Rundfunkanstalt, dem HR, dass das doch eine schwer nachvollziehbare Sache sei: Das gleiche Angebot wie vorher, nur eben um 12,22 EUR teurer. Jeden Monat. Wenn es „gerade so“ jeden Monat reicht, dann wiegt dieser Betrag um so schwerer. Und was das denn soll.

Die Antwort beginnt freundlich. Die juristische Direktion (!) bedankt sich für das Schreiben. Und zeigt Verständnis, dass es schon hart sei, wenn etwas teuer würde, ohne dass daraus ein Mehrwert erwachse. Wobei das ja nur für die gilt, «die bislang nur ein Hörfunkgerät angemeldet haben und auf Fernsehen verzichten». 

Ja eben, genau das hatte die Dame geschrieben, durch Wiederholen wird es nicht besser. Dass «sämtliche Landtage der 16 Bundesländer [...] ganz bewusst vor dem Hintergrund zugestimmt [hätten], dass die bisherige Differenzierung zwischen Hörfunk und Fernsehgeräten [...] nicht mehr zeitgemäß und schon gar nicht mehr praktikabel» sei, klingt nach mehrmaligem Lesen eher nach Dumpfbacken-Argument denn nach schlüssiger Begründung. Wenn es bis jetzt ging, warum soll es nun nicht mehr gehen? Wer hat denn den Landtagspolitikern so einen Schmarrn erzählt, wer berät die denn? Ach ja, ... klar. Die Rundfunkanstalten. Dann ist das natürlich absolut nachvollziehbar und logisch. Wozu drüber nachdenken - wird schon passen: Jede Wohnung kostet einfach das Gleiche und gut. Dass „Wohnung“ nirgends genauer spezifiziert wird, und dass die gerätebezogenen Beitragsbemessung zugunsten einer viel perfideren Gebührengrundlage zum Nachteil der Bürger aufgegeben wird – den Schuss hat von den Abgeordneten offenbar keiner gehört.

Der Jurist des HR, der sich für die Antwort an die ältere Dame herabließ, fand aber dann doch noch die passenden Ton, den wir so an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schätzen, mit denen er jeglichen Realitätsbezug vermissen lässt. Es ist so wundervoll unverschämt arrogante Prosa:

«Wir würden uns freuen, wenn Sie sich vielleicht doch entscheiden können, angesichts dieser Sachlage auch unsere Fernsehprogrammangebote und unsere Internetangebote zu nutzen; sie bieten eine große Vielfalt und sind sicher, dass Sie sich davon überzeugen lassen.»

Nochmal für alle, die es nicht mitbekommen haben: Die Dame kratzt sich die 5,76 € Rundfunkgebühren (Radio) jetzt schon aus den Rippen. Nächstes Jahr kommen monatlich 12,22 EUR oben drauf, für etwas, was sie weder braucht, noch sich leisten kann. Unser lieber Jurist schlägt hier gerade vor, sie möge doch bitte mal fix einen Fernseher anschaffen und einen Internet-Zugang mit allem dafür erforderlichen Zubehör ebenso, damit man sich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus der Tristesse des Alltags entführen lasse. Und der Hunger nicht mehr so zwickt, wenn es ab dem 28. jeden Monats einfach nicht mehr für Nahrung reicht. Dafür soll sie einfach toll HR Fernsehen schauen. Was aber — hätte er ihr Schreiben verstanden — nicht funktionieren kann, weil das mit dem Fernseher und dem anderen neumodischen Kram wirtschaftlich einfach nicht drin ist. Ratenzahlung macht der Elektrohändler für Rentner nicht und die Bank gibt kein Kredit für alles jenseits 65.

Echt blöd, wenn man kein Harz IV, keine Körperbehinderung oder sonstige Rabatt-Möglichkeiten hat, sondern sich einfach nur das Leben lang den Bunkel krum geschafft hat, ehrlich geblieben ist und trotzdem nur eine elend kleine Rente bekommt. Dann muss man sich von Juristen der öffentlich-rechtlichen Anstalten auch noch verarschen lassen.

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