Die Föderalismus-Bremse

20.09.2008

Die Welt wird zum Dorf. Unser Fleisch kommt aus Argentinien, unser Obst aus Australien, unser Wein aus Kalifornien, unser Öl aus Saudi-Arabien, unser Gas aus Russland. Nur noch unser Rundfunk kommt aus Deutschland. Zumindest der öffentlich-rechtliche. Wobei der wiederum einen relevanten Teil des Programms aus zugekauften Sendungen bestreitet. So stehen britische und skandinavische Serien hoch im Kurs, weil da gibt es dann tatsächlich mal Zuschauer in der werberelevanten Zielgruppe zwischen 14 und 49. Unglücklicherweise sind die so gut gemacht, dass man die erst nach 22 Uhr senden darf — zwecks Jugendschutz. Dann kuckt aber der werberelevante Zuschauer häufig nicht, denn er muss ja für seine Gebühren ausgeschlafen arbeiten gehen. Und werberelevant ist die Sendung eh nicht, weil nach 22 Uhr darf ja nicht mehr geworben werden. Nur noch „gesponsert“. Um diese nachschlafene Zeit macht das dann meist ein Alkoholhersteller. Eigentlich unpassend, denn das sind die Sendungen, die man gut „ohne“ ertragen kann. Dagegen werden im Vorabendprogramm Geriatrika angeboten, während die zwischen der Werbung eingestreuten Serien nach höchstprozentigem schreien.

Wobei das in unseren Reihen nur für das „gleichgeschaltetete“ «Das Erste» als gesichert gilt. Die gebührenfinanzierten „Nebenfrauen“ HR, BR, MDR, NDR, RBB, RB, SR, SWR, WDR, etc. verfahren da womöglich nach anderen Mustern, für deren Erforschung sich bei uns noch kein Freiwilliger gefunden hat. In Kurzversuchen wurde klar, dass mutmaßlich selbst Maximaldosen Alkohol bei den ausgewählten Angeboten keine ausreichend sedierende Wirkung entfalten könnten.

Während wir tagsüber alle bei „Ikea“ Möbel aus China und bei „Real“ Tomaten aus Holland kaufen, wollen wir — dem Tenor der «Anstalten» folgend — Individualität durch Regionalfernsehen. So werden dann die gleichen Sendungen an regional unterschiedlichen Sendeplätzen angeboten. Wie es halt den individuellen Bedürftnissen der Bewohner eines Bundeslandes entspricht. Die Individualität geht dabei so weit, dass auch die Definition «Rundfunkempfang» regional unterschiedlich bewertet wird. Im traditionell konservativ-religiösen Süden reicht der Glaube daran, dass Rundfunk empfangbar ist (VG Ansbach, Az. AN 5 K 08.00348). Vereinfacht gesprochen: Der kommt von oben, also von Gott. Und Göttlichem kann man sich nicht widersetzen. Im durch die französische Revolution säkularisierteren Südwesten, jenseits der Weißwurst- und zweier föderaler Grenzen, gilt eine „Glaubensausübung mit Arbeitgeräten“, also der Rundfunkempfang mit dem PC, als eher unwahrscheinlich (VG Koblenz, Az. 1 K 496/08.KO). Im eher lutheranisch geprägten Norden herrscht die Meinung, dass „Gott“ die zuständige Rundfunkanstalt in einer Wohnung mit dem Klingelbeutel nur einmal kassieren darf (VG Braunschweig, Az. 4A149/07) und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu „Gott“ den Rundfunkanstalten mittels PC (Beleg der Nutzbarkeit eines beliebigen PCs zum Rundfunkempfang) erst einmal bewiesen werden muss (schwebendes Verfahren vor dem VG Schleswig).

Während die EU dafür arbeitet, dass vergleichbare Verhältnisse für die Bürger in den EU-Mitgliedsländern entstehen, pflegen wir in Deutschland «Fürstentümer» mit unterschiedlicher Rechtssprechung für objektiv identische Sachverhalte. Während die Welt zusammen rückt, halten wir uns im Land — öffentlich-rechtlich sanktioniert — auf Distanz. Und da wundern sich Politiker, dass PISA uns brandmarkt und andere, homogenere Gesellschaften, wirtschaftlich und mit ihrem kulturellen Einfluss an uns vorbei ziehen?

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