Ins Tal der Ahnungslosen

28.08.2009

Der ZDFinfo-Kanal ist eine tolle Sache. Dort sammelt das ZDF, frei von Werbung, die Informationssendungenaus dem Hauptprogramm in einer Dauerschleife. Der ZDFinfo-Kanal ist die Perfektionierung des öffentlich-rechtlichen Informationsauftrags.

Ohne Werbung, ohne Mainzelmännchen, Informationen am laufenden Band in einer Zeitschleife, diewöchentlichneu aufgesetzt wird. Mit Themenschwerpunkten werden jede Woche Akzente gesetzt und offenbar speziell für den ZDFinfo-Kanal produzierte Kurzmagazine (z.B. regelmäßige Berichte aus Englandvon den dortigen Korrespondenten) liefern hochkarätige Hintergrundinformationen. Zu wechselndenZeiten, man hat eine gute Chance über sieben Tage verteilt reichlich Information und Wissen einzusammeln, wenn die restlichen Programme gerade mal wieder den Intellekt beleidigen.

Nun geht der ZDFinfo-Kanal den Weg, den alle wertvollen Dinge in unserer Zeit gehen: Er wird weggeschlossen.Während bei einem Chagall oder einem Monet die Sorge im Vordergrund steht, das unschätzbareKunstwerk könnte Schaden nehmen, hat das ZDF offenbar Befürchtungen, der Zuschauer könnte an der hohen Informationsdichte des ZDFinfo-Kanals Schaden nehmen. Statt Information setzt der Intendant Markus Schächter lieber auf Entertainment. Die von den Öffentlich-rechtlichen so arg vernachlässigte imaginäre „Zielgruppe“ der 25 - 49-Jährigen soll sich nicht bei den Privaten verblöden,sondern beim ZDF.

Weil das ZDF nur einen Kanal habe, wäre es schlecht aufgestellt, mit einem einzigen Programmkönne man heute den Zuschauer nicht mehr erreichen. Da unterschlägt Herr Schächter geflissentlich, dass das ZDF mit dem ZDFdokukanal, dem ZDFinfokanal, dem ZDFtheaterkanal, ZDFmobil und Beteiligungen an KiKa, Phönix, arte und 3Sat ein beachtliches Kanalpaket am Start hat. Warum aus diesem Bouquet ausgerechnet der Infokanal gegen einen Trivialsender mit dem vielsagend nichtssagenden Namen ZDFneo ausgetauscht wird, lässt Raum für Spekulationen. Bei Digitalfernsehen.de liest sich das so:

«Für den Sendestart im November hält ZDF Neo eine abwechslungsreiche Mischung auslebensnahen FactualEntertainment-Formaten, Servicesendungen, faszinierenden Dokumentationen, unterhaltsamen Musiksendungen, Spielfilmen, internationalen Kaufserien und originellen Comedys bereit. Damit präsentiertsich der Sender als attraktive öffentlich-rechtliche Alternative für die jüngeren Zuschauer.»

Da werden dann wohl „Factuals“ laufen mit dem Titel „Augen auf beimHäuserkauf“, „Kochen statt Pommes“, „Hallo Baby“ oder Servicesendungen der Art „Wo lade ich die billigstenKlingeltöne runter“, „Arschgeweih und Co.“, Dokumentationen über Häuserentrümpelungen, Hundeerziehung, etc. . Beiden unterhaltsamen Musiksendungen wird wahrscheinlich noch heiß über DISCO diskutiert. Die Spielfilme, Kaufserien und Comedys holt man sich – absolut innovativ – aus Übersee, also mutmaßlich solcheKnallerwie „Colt Sievers“ oder „Detektiv Rochford“. Ein völlig neues Konzept also, vielhöherwertiger als das Angebot der Privatsender und eine erfrischende Alternative zum Einheitsbrei.

Hand aufs Herz: Welcher im Kinderjahr lebende Papa interessiert sich schon morgens nachdurchkämpfterNacht für z.B. WISO, ASPEKTE oder NEUES AUS DER ANSTALT. Der sieht viel lieber, dass auch andere Papas mit den vier K (Kreischen, Kleckern, Kotzen, Kot) kämpfen, statt seinem schrumpfenden Hirn nahrhafte, intellektuelle Inhalte anzubieten.

„Neo“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „neu“. Wirklich neu an ZDFneoist lediglich, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen jetzt ganz offen für die Aufgabe seines Bildungs- und Informationsauftrageseintritt. Demnächst werden ZDF-Mitarbeiter durch Mainz laufen und für ZDFneo mit Transparenten werben: «Information, wer braucht die schon». In einem halben Jahr kommt der nächste Coup. Der Theaterkanalwird umbenannt in ZDFresideo («Ich brauch Kultur nichtdie Spur») als Spartenkanal für 16-jährige Drittklässler und vier Wochen später folgt ZDFera für die moderne Frau als Nachfolger des Dokukanals («Wissen hat bei uns verrissen»).

Schade, dass es ab 1. September keine Glühbirnen mehr gibt. Im sanften Licht einesglühenden Wolframdrahtesliest sich ein Buch entspannter als mit Energiesparlampe. Und Bücher werden – wenn das so weiter geht – eine völlig neue Blüte erleben. Denn wer in seinem Kopf mehr sieht als einen Regenschutzfür den Hals, wird bei solchen öffentlich-rechtlichen Angeboten „Strom sparen“ auf Fernsehgeräte und Webseiten der GEZ-finanzierten Anstalten ausdehnen.

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