Alles Recht, oder so…
18.06.2011
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Bundesrepublik Deutschland ist „staatsfern“. So steht es im Gesetz. Doch wer das tatsächlich glaubt, ist „weltfern“, wie die Wahl des nächsten Intendanten des ZDF sehr deutlich zeigt.
Schaut man sich das Wahlverfahren an, wird sofort klar, dass hier keine unabhängige oder gar freie Wahl eines Rundfunkanstaltsleiters stattfand. Über die Diskussion um missliebige Journalisten, namentlich Nikolaus Brender, wachsen die ersten zarten Halme, da zeigt uns der ZDF-Verwaltungsrat erneut seine Vorstellung von Demokratie. So sieht die aus:
- Es darf kein x-beliebiger gewählt werden. Nur Vorschläge aus den eigenen Reihen sind — wenn überhaupt — akzeptabel.
- Staatsferne ist gut auf dem Papier. Denn der Verwaltungsrat «setzt sich aus 77 Mitgliedern, die die im Bundestag vertretenen politische Parteien und weitere gesellschaftliche Gruppen vertreten, zusammen. Dies sind Vertreter der Bundesregierung, der 16 Bundesländer, der Kommunen, der Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, der Journalistenverbände, des Sports und der Umweltverbände. Welche Verbände und Organisationen Vertreter in den ZDF-Fernsehrat entsenden dürfen, regelt der ZDF-Staatsvertrag. Die Ministerpräsidenten berufen die Mitglieder des Fernsehrates nach den eigenen Vorschlägen der jeweiligen Verbände und Organisationen. Viele Vertreter von Verbänden oder Organisationen sind Parteimitglieder, so dass etwa CDU und SPD deutlich mehr Vertreter im Rat haben, als die Zusammensetzung erahnen lässt.»
(Quelle: Wikipedia)
So ist alles bestens geregelt. Denn damit wird potentielle demokratische Anarchie in Form von freien Geistern, Innovatoren oder — heiliger Parteiproporz bitte für uns! — parteikritischen „Meinungsterroristen“ jede Chance auf das Amt genommen.
Das Wort «Wahlen» ist für diese Bauchbepinselung beim ZDF kaum der korrekte Begriff. Denn es gab keine Auswahl. Herr Bellut stand „zur Wahl“. Oder eben nicht. Und kein anderer. Weitere Interessenten hat man kurzerhand abgebügelt. Claudius Seidl war nicht wählbar, weil nicht vorgeschlagen. Vorgeschlagen wurde er — natürlich — nicht, weil dann könnte man gleich gegen den Wind pinkeln. Ein namenloser Bewerber scheiterte vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Dem Hoheitsbereich des Verwaltungsratsvorsitzenden des ZDF. Wer will wegen so einer Banalität schon Stress mit dem Landesfürsten. Könnte man unterstellen. Was wir hier selbstverständlich nicht tun.
Das Ergebnis war daher so überraschend wie Volkskammerwahlen in der DDR. Bei einer „freien Wahl“ hat „der Kandidat“ eine „überzeugende Mehrheit“ erreicht. Bei so viel Einigkeit ist klar, was uns zukünftig erwartet: das ZDF schnarcht weiter vor sich hin, die Zusammenarbeit mit RTL (mal die Berichte und Beiträge bei RTL-Nachrichten und „heute“ vergleichen!) verstärkt, das Programm noch weiter verdummt. Die unerfreulichen, staatsvertraglich auferlegten Einschränkungen bei der Werbung werden durch verstärkten Einsatz von Facebook-Seiten kompensiert. Anflüge von Intelligenz werden systematisch weiter zwischen Mitternacht und ersten Hahnenschrei verlegt oder gleich in einem neuen, noch unbenannten Alibi-Sender, den keine Sau empfangen kann, ausgelagert. Alles Recht so, oder?