Lanz kanns

07.10.2012

Die abgebrochene Eurovisions-Hymne und der Neustart davon vor der Sendung hatte etwas von einem Omen: Es gab Hänger, es gab Fehler, alles in allem hat das ZDF mit Markus Lanz dennoch einen erfolgversprechenden Nachfolger für Gottschalk gefunden.

Natürlich hat er es anders als Gottschalk gemacht. Natürlich ist das überarbeitete Konzept anders als die US-Großverdiener-Präsentation des Vorgängers. Und natürlich ist noch Luft nach oben. Aber der Lanz´sche Eingangsbemerkung, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Gottschalk das bis „in die Rentenphase seines Lebens“ weitermachen können, kann man getrost entgegnen, dass es zum Glück für uns Gebührenzahler anders gekommen ist.

Es hatte etwas von Hühnerhof, nachdem alles Gäste und Wettkandidaten auf den Sitzinseln saßen. Eine davon funktionierte wie ein Mixer, die durch ständige Neupositionierung (eine von einigen kopierten Ideen aus der Raab´schen TV-Schmiede) eine Gewöhnung an die neue Dekoration erschwerte. Wann wer wem ins Gesicht sehen konnte, war für den Fernsehzuschauer schwer bis gar nicht ausmachbar. Ebenso wie Markus Lanz, der sich ganz im Gegensatz zu Gottschalk nicht ständig ins Zentrum des Geschehens spielte. Ungewöhnlich für einen «Show-Master», aber den wollte Lanz offenkundig gar nicht abgeben.

Vertraute Elemente aus seiner Nacht-Show „Markus Lanz“, ein bisschen Raab, ein bisschen Quäl-Fragen aber mit sicherem Gespür, wann der Fisch vom Haken muss, damit es nicht peinlich wird. Das war allenfalls der deplatzierte Michael Kessler als Günther Jauch-Ersatz. Hier fehlte schlicht die Konsequenz, die Kurzauftritte bekannter Show- und Sportgrößen über Schumacher, Klitschko, Elstner und Kiewel mit einem „echten“ Jauch zu toppen. Das wäre mutmaßlich näher an dem, was Lanz tatsächlich ist, als einstudierte Witzeleien, die verlässlich die Pointe versemmelten. Das kann er nicht, sollte er zukünftig gar nicht erst versuchen, sondern stattdessen seinen emphatischen Fähigkeiten und Eloquenz bei Unterhaltungen mehr Raum geben.

Cindy aus Marzahn als Assistentin ist eine amüsante Idee. Ein Fingerzeig war die Kinderwette: Der Junge kannte lediglich die Komikerin im Reigen der Anwesenden. Womöglich wäre sie die dringend erforderliche Brücke des ZDF in das Lager jüngerer Zuschauer. Sie blieb zwar stets «Cindy aus Marzahn», präsentierte sich jedoch wohldosiert und stand Lanz einige Male hilfreich als Co-Moderatorin zur Seite. Es blitze durch, dass sie zwar auf doof macht, es aber sicher nicht ist. Ausbaufähig, falls das Alter Ego von Ilka Bessin mehr als ein Auftakt-Gag war.

Lanz arbeitete sich womöglich etwas zu sehr an Karl Lagerfeld ab und lies im Unklaren, weshalb andere etwas unterrepräsentiert blieben. Das konnte allenfalls aus Randbemerkungen interpretiert werden, dass Frau Kraft wohl erkrankt und Herr Ceylans Vater im Krankenhaus war. Rolando Villazón war zwar überraschend unterhaltsam, aber die kurze Unterhaltung mit ihm schonte die Zuschauer, denn sein Deutsch war — der Sendung durchaus angemessen — etwas chaotisch.

Der generelle Schwachpunkt war, dass ein offenkundig vorzüglich vorbereiteter Gastgeber mit hörbar überforderten Tontechnikern und sichtbar überforderten Regie-Assistenten gestraft war. Es waren viele gleichzeitig auf der Bühne, das ist ohne Frage eine Herausforderung. Die muss man annehmen und ggf. üben. Hier muss das «Wetten dass…?»-Team erkennbar auf die breitere Anforderung des Gastgebers eingehen. Denn so manche Unterhaltung fand — aufgrund ausgeschalteter Mikrofone — nur auf dem Sofa statt, die Kamera zeigte oft den denkbar uninteressantesten Bildausschnitt. Dem Verhalten der Beteiligten nach zu urteilen, wurden wir Fernsehzuschauer aufgrund der schlechten technischen Umsetzung um unterhaltsame Momente gebracht, ein fataler GAU für eine Unterhaltungssendung.

Als Ergebnis der ersten Sendung lässt sich festhalten, dass Lanz seine Hände da hat, wo sie hingehören: bei sich. Er wahrt eine freundliche, überwiegend gut dosierte Distanz bei Gästen und Kandidaten, er stellt Fragen, die über das Wetter oder den aktuellen Film hinausgehen und interessiert sich augenscheinlich tatsächlich für die Antworten und seine Gäste und nimmt jede(n), so gut es geht, gleich wichtig. Er versucht also in fast allem ziemlich das Gegenteil von Gottschalk. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Polen muss er sicherlich noch etwas kalibrieren, «Show» muss er noch üben, die ersten Schritte lassen jedoch hoffen, dass einem außerordentlich abgehangenen Showkonzept durch Rückbesinnung auf die Ursprünge und dem Zentrieren auf das was es ist — ein Familien-Wettspiel — neues Leben eingehaucht werden könnte.

Die Quote mit einem Marktanteil von 43,7% dürfte einige beim ZDF an alte Zeiten erinnert haben, als es nur die ARD als Mitbewerber gab. Mal sehen, wo sich das einpegelt, wenn der „Neugierfaktor“ der ersten Sendung wegfällt.

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